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Eine Datensteuer kostet Wohlstand

Ein ökonomisches Märchen geht um in Deutschland: Nur wenn wir eine Datensteuer einführen, können wir ein gerechtes Land sein. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles spricht gar davon, es gelte, den „digitalen Kapitalismus zu bändigen“. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel erkennt in der „Bepreisung von Daten“ das „zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft“. Das Problem mit Märchen ist: Es wird schwierig, wenn man sie in die Realität überträgt.

In Wirklichkeit droht in Deutschland ein staatlicher Zangenangriff auf die zukunftsträchtige Digitalwirtschaft. Bereits Realität ist die neue Datenschutzgrundverordnung, deren erklärtes Ziel es ist, das Datenaufkommen zu minimieren. Gleichzeitig grübeln EU-Kommission und deutsche Finanzministerien darüber, wie sie Daten-Konzerne oder Daten künftig besteuern könnten. In Kombination wird beides der Entdigitalisierung massiven Vorschub leisten. Wollen wir in Zukunft wirklich schon den Informationsaustausch durch Daten besteuern? Das hätte massive Folgen für den Standort Deutschland und die mittelständische Wirtschaft, der bei der datenbasierten Industrie 4.0 eine Schlüsselposition zukommt.

Nur zwei Beispiele: Viele arbeiten heute auch zuhause mit einem Drucker, dessen Sensoren registrieren, wann die Tinte zuneige geht. Das melden sie an ein Servicecenter, das dann rechtzeitig neue Kartuschen schickt. Oder: In den Aufzügen gibt es immer mehr Sensoren, die frühzeitig Verschleiß messen und Alarm schlagen, bevor die Anlage ausfällt. Durch den exponentiell wachsenden Datenaustausch von Maschine zu Maschine entstehen mit atemberaubendem Tempo neue Geschäftsmodelle. Hier geht es um das Wachstum und den Wohlstand von morgen. Eine Datensteuer wäre also eine Anti-Wohlstandssteuer für Deutschland und die gesamte EU.

Vorgeblich geht es ja darum, die Internet-Giganten Google und Co. endlich gerecht zu besteuern. Doch hier gilt der alte Grundsatz, dass gut gemeint häufig das Gegenteil von gut gemacht ist. Warum? Zum einen profitieren die Silicon-Valley-Konzerne davon, dass sich die EU-Staaten einen harten Steuerwettbewerb gegeneinander leisten. Hinzu kommen die niedrigeren Unternehmenssteuern in den USA – dem Heimatland der Daten-Giganten. Und Ifo-Präsident Clemens Fuest weist darauf hin, dass Digitalunternehmen in der EU vor allem wegen ihrer hohen Forschungsintensität gegenüber der herkömmlichen Wirtschaft steuerlich begünstigt würden. Aus all dem folgt: Weder eine Digital- noch eine Datensteuer eignen sich als Ersatzvornahme für eine als zu gering empfundene Gewinnsteuer der Internetkonzerne.

Wer Steuerpolitik mit dem Blick auf die Masse der Wähler betreibt, kann nur Schaden anrichten. Die Daten-Giganten aus den USA dürften aufgrund ihrer monopolähnlichen Marktposition keine Probleme haben, zusätzliche Steuerkosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Für einheimische IT-Unternehmen gilt das aber keinesfalls. Hier droht die deutsche Industrie 4.0 fiskalisch unter die Räder zu kommen. Es besteht die große Gefahr, dass man auf Google und Co. zielt, aber die einheimische Plattformökonomie trifft.

Leider verbeißt man sich in einigen Länderfinanzministerien derzeit in den Gedanken, dass es beim Austausch von Daten zwischen Konsumenten und beispielsweise Google um einen umsatzsteuerrechtlich relevanten Vorgang handelt. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass der Staat sich auf Dauer diese neue Steuerquelle nicht entgehen lässt. Noch gibt es aber keine Antwort auf die entscheidende Frage, was die persönlichen Daten, die jemand Amazon oder Google überlässt, wert sind. Nicht wenige Experten bezweifeln, dass deren Wert überhaupt konkret, nachprüfbar und zur Not gerichtsfest ermittelt werden kann.

Doch sollte sich die Annahme durchsetzen, der Tausch Daten gegen Dienstleistungen unterliege der geltenden Umsatzsteuer, hätte dies weitreichende Folgen. Dann würden Transaktionen auch in der Vergangenheit steuerpflichtig, da es sich um die Anwendung der bestehenden Umsatzsteuer und nicht um eine neue Steuer mit Stichtag handeln würde. Für die wenigen erfolgreichen deutschen Player der Plattformökonomie ginge es hier schnell um Millionenbeträge und damit um die Existenz. Deshalb darf man der digitalen Wirtschaft jetzt nicht regulatorisch und steuerlich die Luft abzudrücken. Das wäre ein gefährliches Spiel mit der Zukunftsfähigkeit Deutschlands und der EU. Man muss in Berlin und Brüssel endlich begreifen, dass Daten heute schon und noch mehr in Zukunft Produktionsfaktoren sind. Wer sie durch Regulierungen und Steuern einschränkt, fügt dem ganzen Land Schaden zu. Den Preis dafür zahlen am Ende wir alle.

Der Autor ist Präsident des Bundesverbandesmittelständische Wirtschaft und des europäischen Mittelstandsdachverbandes European Entrepreneurs.

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